Der Hamburger Jugendserver

50. Ausgabe - Nov 2024

 

 HAFTNOTIZEN 50 smiley

 

Der Schotte: Meine Erfahrungen bei den Haftnotizen

 

by St. Troipez / Kunstprojekt STABIL der JVA HahnöfersandIch bin seit etwa zwei Jahren bei den Haftnotizen, habe hier eine Menge Menschen kennengelernt und viele unvergessliche Momente hier erlebt. Die Haftnotizen haben mir die Zeit in der Haft erträglicher gemacht und mir viel mehr gebracht, als ich mir vor zwei Jahren hätte vorstellen können. Es hat mir ein Sprachrohr geboten, ich habe gelernt, meine Gedanken und Gefühle auf den Punkt zu bringen und einen Text daraus zu machen. Aber die Haftnotizen sind viel mehr, als nur Texte zu schreiben. Es werden oft Diskussionen über aktuelle Themen geführt. Jeder kann hier seinen Punkt vertreten und erklären, warum er so denkt. Erst recht große Themen wie der Ukraine-Krieg oder der Israel-Palästina-Konflikt werden hier heiß debattiert. Aber es wird nicht nur über Politik gesprochen – auch Themen, die uns belasten, finden hier immer ein offenes Ohr.

Für neue Teilnehmer, die zum Beispiel zum ersten Mal in Haft sind, ist das ein guter Ort, um anzukommen. Man lernt Leute kennen, kommt ins Gespräch, man findet viel heraus und kriegt einige Tipps, um die Haft besser durchzustehen. Die erfahreneren Insassen erzählen beispielsweise, was sie bis jetzt in der Haft erlebt haben. Berichten und schreiben über ihre Erfahrungen und raten den Neuen dann davon ab, die gleichen Fehler zu machen. Und erzählen, wie man seine Haftzeit am sinnvollsten nutzen kann.

Als ich vor zwei Jahren zu den Haftnotizen kam, wurden mir einige dumme Ideen ausgeredet, einige Gerüchte über die Haft wurden widerlegt. Mittlerweile habe ich verstanden, wie es hier in der JVA läuft, und erzähle den Leuten von meinen Erfahrungen. Die Haftnotizen bringen uns näher zusammen, man beginnt, mit eigentlich fremden Leuten Texte zu schreiben und über Gott und die Welt zu sprechen. Für mich ist das ein Ort, an dem ich abschalten und meine Gedanken teilen kann.

 

 

Wow, schon 50 Ausgaben mit insgesamt 222 Beiträgen in vier Jahren

Den Auftakt dieser Jubiläumsausgabe macht Der Schotte, ein regelmäßiger Verfasser der HAFTNOTIZEN. Was für eine schöne Rückmeldung über dieses besondere Schreibprojekt. smiley Vielen Dank an alle bisherigen und kommenden Schreiber. Ohne euch würde es die HAFTNOTIZEN nicht geben! Seit der ersten Ausgabe ist die Autorin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis die unfassbar engagierte, kluge und kreative Seele, die dafür sorgt, dass die Gedanken aufs Papier fließen und ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Auch dir, liebe Tania, gebührt ein riesengroßer Dank (lobhudelt das JIZ-Team)! Parallel entstehen im Kunstprojekt STABIL in der JVA immer wieder Bilder, die die HAFTNOTIZEN illustrieren. Darüber freuen wir uns ebenfalls sehr.

Natürlich gibt es in dieser Ausgabe noch mehr Beiträge. Viel Spaß beim Lesen und auf viele weitere Texte!

Wie immer ist uns Meinungsfreiheit sehr wichtig – deshalb äußert der jeweilige Verfasser seine ganz persönliche Meinung, die nicht unbedingt vom gesamten Team der Haftnotizen geteilt werden muss.

 


enlightenedÜbrigens: Die Verfasser der Artikel freuen sich sehr über Feedback zu ihren Texten. Schreibt uns gerne Lob und Kritik an jugendinfo@bsb.hamburg.de und wir leiten eure Rückmeldungen (anonymisiert) weiter.


Die HAFTNOTIZEN sind ein Schreibprojekt des JIZ in Kooperation mit der Schule der JVA Hahnöfersand. Mit Unterstützung der Autorin, Journalistin und Schreibtrainerin Tania Kibermanis verfassen jugendliche Strafgefangene Texte zu aktuellen, aber auch sehr persönlichen Themen. Wie es dazu kam und unter welchen Bedingungen die Texte entstehen, erfährst du hier >>

 

Bildnachweise: Zeichnung H-Sand mit Straße © St. Troipez; Aquarell mit Totenköpfen © NoName > entstanden im Kunstprojekt STABIL der JVA Hahnöfersand

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