Zum Besuch der Zeitzeugen Frauke P. und Manfred H. - Teil 2

von Der Schotte

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

Der Schotte:

Wir hatten zwei Zeitzeugen zu Besuch. Sie sprachen mit uns über den Zweiten Weltkrieg, die Auswirkungen des Krieges, und die Verluste, die der Krieg mit sich brachte. Bevor ich aber auf das Gespräch eingehen möchte, würde ich gerne sagen, dass ich mir die Begegnung mit Frauke und Manfred nicht ansatzweise so spannend und ergreifend vorgestellt hatte. Ich kannte die Zeitzeugengespräche bereits aus meiner Grundschulzeit, damals als Kind war es für mich eher langweilig, weil ich einfach vieles nicht begriffen habe und das Interesse gefehlt hat. Ich habe mich auch nie besonders mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Ich hatte ein paar Basisinformationen, die ich in der Schule aufgeschnappt habe, und das Tagebuch der Anne Frank habe ich auch nie zu Ende gelesen. Große Erwartungen hatte ich vor dem Gespräch also nicht – ich dachte mir, dass es bestimmt besser wäre als der Einschluss, den ich ansonsten gehabt hätte.

Ich ging also völlig unvorbereitet in das Gespräch rein, ein paar andere hatten sich vorher Fragen aufgeschrieben und sich vorbereitet. Ich dachte, ich habe gleich zwei grimmig guckende, kaputte Seelen vor mir, die das Leid, das sie erlebt haben, direkt ausstrahlen. Aber mein erster Eindruck von Frauke und Manfred war ganz anders, als ich es erwartet hätte – nämlich das komplette Gegenteil: Ich schaute in zwei freundliche Gesichter, und beide strahlten eine gewisse Freude aus, bei uns zu sein. Sie wollten uns von Anfang an auf Augenhöhe begegnen. Sie stellten sich vor und brachten gleich ein bisschen Gelassenheit in den Raum. Wir lachten gemeinsam, und alle respektierten sich. Die Stimmung hat mir sehr gefallen.

Nachdem sich alle vorgestellt hatten, hatten wir bereits einen kleinen Einblick in das Leben von Frauke und Manfred gewonnen. Manfred hatten einen kleinen Drang, etwas mehr zu reden, aber das hat gar nicht gestört, denn das, was er erzählte, war spannend und gut. Es war sehr krass, was er berichtete: dass sein Vater früh weg war und er sich in sehr jungen Jahren um seine Mutter kümmern musste, und wie er an Geld oder was zu Essen kam, ist manchmal sehr clever gewesen und manchmal auch sehr hart und traurig. Ich stelle mir diese Zeit nicht einfach vor und sehr prägend. Mir fiel auf, dass Manfred die ganze Zeit relativ entspannt erzählen konnte, bis er über den Verlust seiner Schwester sprach. Man fühlte den Schmerz, den er dabei spürte, und merkte, wie diese Geschichte immer noch tief in ihm steckte. Wir alle waren von seiner Geschichte sehr mitgenommen und hatten riesigen Respekt davor, dass er mit uns so offen darüber sprach.

Bei Frauke waren wir eher überrascht, als sie anfing, von ihren schlimmsten Erlebnissen in der Kriegszeit zu erzählen. Sie wirkte neben Manfred zuerst sehr zurückhaltend. Als sie anfing, von einem Bombenangriff zu erzählen, waren alle ganz ruhig und hörten aufmerksam zu. Sie erzählte es so, dass man sich richtig in die Situation reinversetzen konnte - die Todesangst, die sie hatte, und die Stimmung, die dort im Keller herrschte, verteilte sich bei uns im Raum. Ich hatte mir den Krieg immer ganz anders vorgestellt.

Es ist wichtig, dass diese Zeit nicht in Vergessenheit gerät, denn das Leid der vielen Menschen sollte nicht umsonst gewesen sein. Manfred erzählte von 60 Millionen Toten – eine unvorstellbare Zahl, das sind dreiviertel der Einwohner von Deutschland. Ich habe sehr viel über den Krieg gelernt. Ich habe einen Einblick in das Leben in der Kriegszeit bekommen und auch viel von den Zeitzeugen mitgenommen.

Ich bin froh, bei diesem Gespräch dabei gewesen zu sein, und bedanke mich recht herzlich bei Frauke und Manfred, dass sie sich die Zeit genommen haben, zu uns zu kommen. Ihr seid klasse Menschen, und ich wünsche euch weiterhin alles Gute. Manfred, wir glauben dran, dass du auch noch die hundert Jahre knackst!

 


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Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

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