Der Hamburger Jugendserver

Tonis Wunschentlassungstag

von Toni35

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

Es ist ein Mittwoch, es ist kühl, und die Sonne kommt langsam raus. Toni wird gerade von der Zahlstelle zum Entlassungstor gebracht. Er hat niemandem außer seinem Bruder gesagt, dass er heute entlassen wird. Als er durch das Tor tritt, hört er Geschrei und Gejubel. Der Parkplatz ist voller Autos und voller Brüder, die Toni während seiner achtjährigen Haftzeit unterstützt haben. Seine Frau sprintet auf ihn zu, hält ihn doll fest und schreit wiederholt: „Endlich!“ Toni umarmt die ganzen Jungs fest und bedankt sich dafür, dass sie während aller Höhen und Tiefen an seiner Seite standen. Toni beschließt, lecker essen zu gehen – auf seine Kosten. Doch die Jungs akzeptieren natürlich nicht, dass er bezahlt. Sie fangen an, sich auf die Autos aufzuteilen und diskutieren, bei wem Toni mitfährt. Aber er hat sich natürlich für das Auto seiner Frau entschieden. Während der Fahrt lässt Toni seine Haftzeit im Schnelldurchlauf Revue passieren. Später am Esstisch ist Toni dann sehr ruhig. Jeder, der versucht, mit ihm zu reden, bekommt keine richtige Antwort. In seinem Kopf ist er bei seinen Eltern, denn die wissen gar nicht, dass er schon draußen ist. Er plant, bei ihnen gleich einen Überraschungsbesuch zu machen. Immerhin hat sein Bruder schon dafür gesorgt, dass die Eltern heute beide zuhause bleiben. Nach dem Essen machen alle gemeinsam noch ein Foto, das veröffentlichen sie dann in den sozialen Medien, so dass jetzt jeder weiß: Toni is back! Danach verabschiedet er sich von den Jungs und fährt mit seiner Frau zu den Eltern. Dort machen sie sich den schönsten Tag, den man sich mit seiner Familie nur machen kann.

 


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Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

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