Der Hamburger Jugendserver

25 Gramm

von O.M.E.

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

Ich bin O.M.E., bin neunzehn Jahre alt und sitze in Haft, seitdem ich siebzehn bin. Ich fing mit dreizehn an, regelmäßig Cannabis zu konsumieren. Irgendwann hatte ich kein Geld mehr, um Cannabis zu kaufen, und mit meinen Freunden kam ich dann auf dumme Ideen: Menschen auf der Straße anzusprechen, sie mit einem Messer zu bedrohen und ihnen ihre Wertsachen wegzunehmen. Das ging so ein Jahr. Außer „Baba, leicht verdientes Geld“ dachten wir uns nichts dabei. Wir verkauften geklaute Handys auf der Straße, bis uns die Polizei eines Tages hochgenommen hat. Wir landeten auf der Polizeiwache, unsere Eltern mussten uns abholen. Sie waren schockiert.

Nach ein paar Monaten war dann die Anklageschrift im Briefkasten. Da war ich dann schon vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Das Amtsgericht Hamburg verurteilte mich zu sechs Monaten Jugendstrafe mit zwei Jahren Bewährung. „Jackpot“, dachte ich. Ich musste also nicht ins Gefängnis. Ich Idiot habe es nicht ernst genommen. Ich sollte mich ein- bis zweimal im Monat mit der Bewährungshilfe treffen und Gespräche führen. Insgesamt haben wir uns vielleicht zwölfmal getroffen. In dieser Zeit habe ich erstmal keine Straftaten begangen. Bis ich dann anfing, Cannabis zu verkaufen. Auch da dachte ich mir zuerst nichts dabei. Ich kratzte mein Geld zusammen, kaufte 25 Gramm und verkaufte sie mit Gewinn weiter. Irgendwann habe ich den Gewinn dann verdoppelt, und so ging es immer weiter. Ich habe mein Geld auch nicht mehr gespart, und statt Cannabis zu rauchen, habe ich lieber Alkohol getrunken. Ich habe gefeiert und nebenbei Gras verkauft. Irgendwann war ich süchtig nach diesem Leben: Jeden Tag aufstehen, duschen, anziehen und raus. Cannabis verkaufen, Alkohol trinken und den Gewinn des Tages in der Nacht auf der Reeperbahn oder irgendwelchen Partys auf den Kopf hauen. Gleichzeitig habe ich auf meine Bewährung geschissen, die Termine mit meiner Bewährungshilfe ignoriert, und inzwischen war ich siebzehn geworden.

Irgendwann habe ich aufgehört, Cannabis zu verkaufen und jeden Tag Alkohol getrunken. Und mein letztes Geld verballert. Ich habe zu dieser Zeit auch angefangen, die Teufelsdroge Kokain zu konsumieren. Irgendwann war ich mit zwei Freunden auf der Reeperbahn. Ich war besoffen, mein Handyakku war leer, und meine Freunde hatte ich auch irgendwo verloren. Es war ungefähr drei Uhr nachts, ich hatte noch fünfzig Euro in der Tasche. Ich holte mir eine Wodka-Bombe für vier Euro, das ist ein Wodka-Mischgetränk. Eigentlich wollte ich nach Hause fahren. Auf der Straße geriet ich dann in eine Personenkontrolle der Polizei: „Schönen guten Abend, das ist eine allgemeine Personenkontrolle. Ihren Ausweis, bitte!“ Ich war zu besoffen, um noch klar zu denken und holte meinen Ausweis raus, der von der Polizei überprüft wurde. „So, Herr X – gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor.“ Ich dachte nur: „Scheiße.“ Und fragte den Polizisten, wieso es denn einen Haftbefehl gäbe. Nach meiner Verurteilung hatte ich niemanden mehr bedroht oder abgezogen, nur Cannabis verkauft. Aber das sagte ich natürlich nicht. Der Polizist antwortete: „Das sagen wir dir auf der Wache.“ Wahrscheinlich war meine Bewährung vorbei, weil ich die Bewährungshilfe nicht mehr getroffen hatte. Auf der Wache kotzte ich erstmal die ganze Zelle voll. Mir war schlecht und schwindelig, und irgendwann schlief ich dann ein. Ungefähr um sechs Uhr morgens ging meine Zellentür auf, und ich wurde in die Untersuchungshaftanstalt gebracht. Dort blieb ich eine Woche und wurde danach in die Jugendhaft verlegt. Dort war ich 36 Tage, dann wurde mein Haftbefehl aufgehoben, und ich wurde sofort entlassen.

Ich fing direkt wieder an, jeden Tag zu trinken, und flog erstmal nach Mallorca. Am Ballermann gab es dann eine Schlägerei, ich war auch dabei – wieso, das weiß ich nicht mehr. Es kam keine Polizei, und es gab auch keine Festnahmen. Als ich am nächsten Morgen wach geworden bin, hatte ich starke Schmerzen in meiner Brust und am Rücken, die ich dann mit Alkohol betäubte. Zurück in Deutschland habe ich weiter jeden Tag getrunken. An einem Abend war ich wieder voll im Suff, und mit meinen Freunden kam es dann zu einer brutalen Schlägerei. Ich habe fast einen Menschen getötet. Wieso und weshalb es zu dieser Schlägerei kam, weiß ich bis heute nicht. Ich hatte einen totalen Blackout und wurde 29 Tage nach meiner Entlassung wieder verhaftet. Der junge Mann hat zum Glück überlebt. Ich hatte dreizehn Gerichtstermine und rechnete mit zwei bis drei Jahren Haft. Am Ende wurde ich zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei Jahre und elf Monate habe ich noch.

Junge Menschen, die zuhause Probleme haben, fangen oft früh an, auf der Straße abzuhängen. Finden dort Freunde, die ebenfalls auf der Straße abhängen, und fangen an, Drogen zu konsumieren. Eigentlich wollten sie nur was Leckeres auf dem Teller haben und vielleicht auch mal mit einem Mädchen ausgehen und was Schönes erleben, aber das Geld fehlt. Das Geld in der Tasche entscheidet, was man tut. Ob man einen Döner isst. Ob man ins Kino geht. Und wenn kein Geld in der Tasche ist, dann ist es sehr verlockend, was Kriminelles zu tun, um an Geld zu kommen. Man klaut, dealt, wird auch mal erwischt. Man wird auffällig. Und wenn man älter wird, wird man auch abgebrühter und brutaler.

Ich hatte mal einen sehr guten Freund. Er hatte keine Probleme in der Familie. War auch nicht arm, trotzdem hing er auf der Straße rum. Verkaufte Drogen, zog Leute ab. Für mich kam es so rüber, als sei er süchtig nach diesem Leben. Doch dieser eine Freund hat es geschafft, sein kriminelles Leben hinter sich zu lassen. Er studiert jetzt und begeht keine Straftaten mehr.

Wenn ich rauskomme, möchte ich auch ein straffreies Leben führen. Zurzeit mache ich eine Ausbildung als Maler – ich glaube, draußen hätte ich das nie geschafft.

 


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Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

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