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Künstliche Intelligenz in der Musik

Von Vinylplatten bis hin zu Chatbots und KI-Tools - die Musikwelt hat sich stets gewandelt. Heute stehen wir an der Schwelle einer neuen Ära, in der künstliche Intelligenz die Kreativität in der Musikproduktion neu definiert.

 

Elektronische Hilfsmittel wurden schon in den letzten Jahrzehnten zur Erstellung von Musik genutzt. Elektrische Mikrofone, Verstärker und Lautsprecher revolutionierten seit den 1920er Jahren die Welt der Musik. Erste Aufnahmen mit Tonbandgeräten erlaubten das Aufnehmen und Wiedergeben von Musik. Später eroberte die Vinylplatte die Musikbranche. In der Nachkriegszeit bis Mitte der 1970er Jahre wurde die Vinylplatte zum Standarttonträger und Mehrspur-Tonbandmaschinen hielten Einzug in die Musikproduktion. Von nun an mussten Bands ihre Titel nicht mehr gemeinsam in einem Stück einspielen, sondern konnten im weiteren Verlauf der Produktion weitere Spuren zu dem Musiktitel einspielen.

Die Kreativität bei der Musikproduktion wurde durch die Einführung der Mehrspurrekorder auf eine ganz neue Stufe gestellt. Einzelne Musiker konnten alleine im Studio ganze Alben aufnehmen. Die Musiker der Bands konnten ihre bereits eingespielten Tracks ein zweites Mal einspielen. Durch die nicht hundertprozentigen Reproduktionen der vorab eigespielten Tracks entstand ein breiterer Sound, da die „nebeneinander gelegten“ Tonspuren beim Hörer den Eindruck erweckte, dass z. B. zwei Gitarristen oder zwei Bassisten das Lied eingespielt haben. Ein berühmtes Beispiel ist die Band ABBA. Sie perfektionierte diesen Sound indem sie jedes eingespielte Instrument und jeden eingesungenen Part doppelt einspielten und somit diesen speziellen voluminösen ABBA-Sound kreierten.

 

 

Mehrspur-Tonbandmaschinen waren die erste große Revolution in der Musikproduktion, die Musiker nutzten, um kreativ Songs zu entwickeln. Später setzte sich der Computer und mit ihm die digitalen Schneidewerkzeuge in den Musikstudios durch. Die Digitalisierung in der Musikbranche ermöglichte es nun wesentlich mehr Musikerinnen und Musikern, professionelle Musikproduktionen durchzuführen, da die Studiokosten nicht mehr so immens hoch waren. Digitale Tonstudios entstanden überall in Deutschland und die Produktionskosten sanken. Später wurde die digitalen Schneidewerkzeuge so günstig, dass Musikerinnen und Musiker sich Tonstudios in ihrer Wohnung einrichten konnten. Damit wurde auch einer breiten Öffentlichkeit die Chance gegeben, sich kreativ in die Produktion von Musik einzubringen.

Nun setzt künstliche Intelligenz neue Maßstäbe in Hinblick auf die Kreativität in der Musikproduktion. Wahrscheinlich sind dir die Abkürzungen KI und AI schon öfter in den Medien begegnet. KI steht für künstliche Intelligenz und AI steht für die englische Übersetzung „Artificial Intelligence“. Da wir in technischen Bereichen wie z. B. der Informatik meistens die englischen Bezeichnungen nutzen, wird das Kürzel AI oft genutzt. Allerdings können die beiden Begriffe KI und AI synonym verwendet werden.

Was ist eigentlich künstliche Intelligenz und wo begegnet sie dir im Alltag?

Künstliche Intelligenzen sind durch Algorithmen gesteuerte Systeme, die versuchen menschliche Verhaltens- oder Denkweisen zu simulieren. Sie können selbstständig Aufgaben ausführen, die wir Menschen vorher erledigt haben.

Schon jetzt begegnet sie dir überall im Alltag. Bei der Nutzung von Suchmaschinen ist die KI längst Bestanteil der Algorithmen. Auch bei Wettervorhersagen, Sportberichterstattung, Gesichtserkennung von elektronischen Geräten, dem autonomen Fahren oder Empfehlungen von Streaming-Diensten arbeitet die KI stets im Hintergrund. Und fast täglich kommen neue Anwendungsbereiche hinzu.

 


 

Künstliche Intelligenz in der Musik

Im Bereich der Musikproduktion sind der Chatbot ChatGPT und das Programm AIVA derzeit die bekanntesten generativen KI Technologien. Natürlich gibt es aber noch eine Menge anderer, ähnlicher Programme wie z. B. Boomy, Soundraw oder Jukebox. Der Chatbot ChatGPT ist der Prototyp eines KI-Systems von OpenAI und wurde mit einer unzähligen Menge von Texten darauf trainiert, auf Anfrage menschenähnliche Texte zu verfassen. Die für jeden Nutzer frei zugängliche Software kann im Musikbereich eingesetzt werden, um sich Songtexte erstellen zu lassen.

Zu einem Songtext gehört natürlich noch die richtige Musik. Und das übernimmt das Programm AIVA. AIVA steht für „Artificial Intelligence Virtual Artist“ und wurde im Rahmen eines geförderten EU- Projektes von IT-Spezialisten und Musikern speziell für die Komposition von Musik entwickelt. Zu diesem Zweck wurde die künstliche Intelligenz mit einer großen Menge an Musikdateien versorgt. Diese reichten von klassischer bis hin zu zeitgenössischer Musik. Somit wurde die KI mit verschiedenen Stilen und Musikmustern trainiert. Um Soundtracks und andere Musikstücke zu generieren, nutzt AIVA neue Algorithmen des maschinellen Lernens. Als Nutzer kannst du vorab einige Eingaben machen, um z. B. Länge, Stil, Stimmung und Tempo der Komposition zu bestimmen. Da du mit deinen Songvorgaben die Komposition beeinflusst, bezeichnet man diesen Prozess als „kreatives Co-Autoring“. Auch dieses Tool steht für dich kostenlos zur freien Verfügung, allerdings nur für drei Songs im Monat.
 

KI Sommerhit

Eine Reporterin von „PULS Reportage“, einem Format des Bayrischen Rundfunks, wollte in diesem Sommer mithilfe der vorab beschriebenen Tools einen Song kreieren. Unter dem Titel „KI-Sommerhit: Ich schreibe einen Song mit ChatGPT & Co“ wollte sie im Selbstversuch der Frage nachgehen, ob sie als Laie mit Hilfe der künstlichen Intelligenz einen professionellen Song produzieren kann. Der Text, die Melodie und der Sound sollten dabei mit ChatGPT und AIVA entstehen. Nur singen wollte sie selbst. Nachdem sie in vielen Versuchen mit ChatGPT ihren Text erstellen, und mit AIVA ihren Song komponieren lies, sang sie in ihrem Kleiderschrank ihren Song ein. Es hat nicht zu einem Sommerhit gereicht, aber das ist zweitrangig, denn das Projekt macht Lust auf selber ausprobieren und wenn dich das Thema interessiert, dann findest du hier den Link zur Reportage.
 

 

Was macht die KI mit unserer Musikkultur?

Mit der Nutzung künstlicher Intelligenz im Bereich Musik sind wir an einem weiteren Wendepunkt in der Geschichte der Musikproduktion angelangt. Die KI setzt bei der Erstellung von Musik neue Maßstäbe in Hinblick auf Kreativität. War es früher professionellen Musikerinnen und Musikern vorbehalten, Musiktitel zu komponieren und aufzunehmen, so können sich nun auch alle Nichtmusikerinnen und Nichtmusiker im Bereich Musikproduktion unter Zuhilfenahme von KI-Tools ausprobieren. Zukünftig entscheiden nicht mehr nur finanzielle Mittel oder das individuelle Können, ob man sich als Musikproduzentin oder Musikproduzent betätigt. Ein Interesse, sich mit den KI-Tools auseinanderzusetzen genügt. Die Art und Weise, wie wir in Zukunft Musik erschaffen und hören wird sich enorm verändern, denn wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.

Wer hat den Song gesungen?

Dabei geht es nicht nur um Texte, Kompositionen oder Arrangements. Tools wie SONO AI sind heute schon in der Lage menschliche Stimmen zu imitieren. Anfang des Jahres wurde ein Album mit 8 Songs von Oasis veröffentlicht, die Mitte der Neunziger Jahre entstanden sein sollen. Doch die Songs stammten nicht von Oasis, sondern von der britischen Band Breezer, die für den Gesang eine KI einsetzten, um die Stimme wie von Oasis Frontmann Liam Gallagher klingen zu lassen. Selbst der echte Oasis Sänger Liam Gallagher fand das Ergebnis beeindruckend. Man darf gespannt sein, welche „KI-Stimmimitationen“ wir in Zukunft noch hören werden, und wann der Zeitpunkt gekommen ist, indem ein Unterscheiden von realer Stimme und KI-Imitation nicht mehr möglich ist. Zwar sind Stimmen noch nicht urheberrechtlich geschützt, aber die Musikindustrie hat kein Interesse daran, dass eine große Anzahl an Musikstücken mit Stimmen bekannter Stars kreiert werden. Aus diesem Grund hat YouTube zusammen mit der Universal Music Group einen KI-Inkubator geschaffen, der die Urheberrechte von Musikern vor generativer künstlicher Intelligenz schützen soll.

Viele zusätzliche Musiktitel durch KI

Im Laufe der Musikgeschichte hat jede Entwicklung, die Musikproduktionen vereinfachte oder kostengünstiger realisieren lies, gleichzeitig zu einer hohen Zahl an weiteren Musikproduktionen geführt. Durch die Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Musikproduktion, werden bei großen Streamingplattformen wie z. B. Spotify pro Tag ca. 100.000 Songs zusätzlich hochgeladen, die laut Universal-Music-Chef Lucian Grainge „kaum als Musik“ bezeichnet werden können. Das Geschäftsmodel besteht darin, die Plattformen mit irgendeiner Art von Musik zu fluten, um bei der Abrechnung berücksichtigt zu werden, denn die Musikstücke müssen nur 31 Sekunden gehört werden, damit die Produzenten dieser Inhalte mit ihnen Geld verdienen können. Viele dieser Stücke bestehen mitunter nur aus Rauschen. Dieses Phänomen ist für etablierte Künstler ein großes Problem, denn durch diese Praxis entgehen ihnen teils hohe Einnahmen.

KI und Urheberrechte

Aber auch in Hinblick auf das Urheberrecht ist bei der Nutzung künstlicher Intelligenz in Verbindung mit der Produktion neuer Musiktitel vieles noch nicht geklärt. Mit welchen Texten und Musikstücken wurden die KIs trainiert? Ist die Einwilligung zur Nutzung der Werke vorab eingeholt worden? Erst im vergangenen März gab es einen Zusammenschluss führender Verbände aus der Musikindustrie. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, die Wahrung der Urheberrechte bei der Nutzung und dem Training von KIs zu gewährleisten. Wie bei vorherigen technischen Entwicklungen müssen für die Verwendung von Bild- oder Tonmaterial, vorab die Erlaubnis für eine Nutzung eingeholt werden. Darüber hinaus sollen Inhalte, die mit einer KI erstellt werden, als solche ausgewiesen werden und geschützte Inhalte, die beim Training der KI genutzt wurden, aufgelistet werden.

Die Verwendung künstlicher Intelligenz in der Musikproduktion ist ein neues Phänomen und man kann noch nicht genau einschätzen, wohin die Reise geht. Es gibt auch Ängste oder Sorgen in Bezug auf diese neue Technologie. Zum Beispiel, dass durch den Einsatz der KI-Tools Musikerinnen oder Musiker sowie Songwriterinnen oder Songwriter in Zukunft überflüssig werden, oder dass wir von unzähligen KI-Songs überflutet werden. Ich denke, wie bei allen neuen technischen Entwicklungen gibt es ein gewisses Unbehagen gegenüber dem Neuen, dem Unbekannten. KIs können aus den Inhalten, mit denen sie trainiert wurden, eigenständig neue Inhalte reproduzieren, aber sie werden nie wirklich in der Lage sein kreativ zu arbeiten, werden nie erlebte Empfindungen in Musik oder Text umsetzen können. Die Nutzung künstlicher Intelligenz in der Musik ist eine tolle Chance, sich mit der Produktion von Musiktiteln zu beschäftigen. Es bleiben aber auch die vielen anderen Möglichkeiten wie z. B. ein Instrument zu erlernen und mit anderen Musikerinnen und Musikern gemeinsam zu musizieren, zu komponieren und Musikstücke aufzunehmen. Aber vielleicht ist ja auch eine Kombination aus beidem eine Lösung.

 


 

Es gibt viele spannende Projekte die zeigen wie künstliche Intelligenz in der Musik eingesetzt wird. Musikwissenschaftler und Musikwissenschaftlerinnen haben schon immer wieder versucht, den individuellen Stil von Musikern und Musikerinnen zu analysieren. In dem folgenden Projekt haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen z. B. einen kompletten Song durch die KI schreiben lassen, der im Stil der Beatles komponiert werden sollte. Dazu nutzen sie die KI FlowMachines, die Musikstile aus einer riesigen Datenbank erlernte. Das Ergebnis kannst du hier hören.

 

 

Quellen:

 

Bayerischer Rundfunk, Artikel, „AI killed the Music-Star? Wie KI die Musik revolutioniert hat“, 26.09.2023, www.br.de, AI killed the Music-Star? Wie KI die Musik revolutioniert | BR24

Bayerischen Rundfunk, Reportage, „KI-Sommerhit: Ich schreibe einen Song mit ChatGPT & Co.“, July 2023, KI-Sommerhit: Ich schreibe einen Song mit ChatGPT & Co. - YouTube

Delamar – Unabhängiges Fachmagazin für Musiker, Artikel, „Geschichte der Musikproduktion“, undatiert, www.delamar.de, Geschichte der Musikproduktion: Die Anfänge bis heute ⋆ delamar.de

Frankfurter Allgemeine, Artikel, 2023, Künstliche Intelligenz und Musik, „Wenn die KI Songs schreibt“.
Künstliche Intelligenz und Musik: Wenn die KI Songs schreibt (faz.net)

Heise, Artikel, „Was ist AIVA“, 25.07.2023, www.heise.de
Was ist AIVA? | heise online

Heise, Artikel, „Was ist ChatGPT?“, 13.01.2023, www.heise.de
Was ist ChatGPT? | heise online

Heise, Artikel, „Was ist künstliche Intelligenz?“, 08.06.2023, www.heise.de
Was ist Künstliche Intelligenz? | heise online

Heise, Artikel, „Was ist der Unterschied zwischen KI und AI?“, 19.05.2023, www.heise.de Was ist der Unterschied zwischen KI und AI? | heise online

Thomann, Artikel, „Aufstieg der künstlichen Intelligenz in der Musik“, 02.06.2023, www.thomann.deKünstliche Intelligenz ▷ Aufstieg in der Musik (thomann.de)
 

 

Bildnachweise:

Künstliche Intelligenz / Zwei Gesichter: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Schallwellen: Bild von Mary Theresa McLean auf Pixabay

Künstliche Intelligenz / Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

Ein Beitrag von Sven aus der Redaktion

 

 
 
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