Der Hamburger Jugendserver

Straffällige Jugendliche

von TPO2

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

Mehr als die Hälfte der Leute in meinem Bekanntenkreis sind straffällig oder waren es. Vielleicht liegt es an ihrer Perspektive, ihrem Blick aufs Leben, oder vielleicht auch daran, dass es ihnen Spaß macht. Ich denke, sowas hat viele Gründe. In meiner Schulzeit haben viele Lehrer zu uns gesagt, dass aus uns nie was wird und dass wir doch eh im Knast landen werden. Ich denke, auch so eine selbsterfüllende Prophezeiung hat vielleicht zu manchen Lebensläufen beigetragen. Dass einem nichts anderes zugetraut wurde. Ich bin in ärmeren Gegenden aufgewachsen. Manchmal gab es kein Geld für den Schulbus, und wir sind nie draußen essen gegangen. Zwei Zimmer und zu viele Leute in der Wohnung. Ich könnte noch viel weiter aufzählen, aber ihr wisst, was ich meine. Sowas prägt doch. Irgendwann hat man keinen Bock mehr drauf. Und es stellt sich die Frage: Ganz ehrlich machen oder nicht? Ich werde ja sowieso ständig kontrolliert und unter Verdacht gestellt, weil ich Jugendlicher bin, in einem Brennpunkt lebe , und mit der Zeit lässt mich das Gefühl auch nicht mehr los, dass mein Migrationshintergrund meine Lage und den Eindruck, den man von mir hat, nicht wirklich besser macht.

Als ich ungefähr vierzehn war, hat mich ein Älterer aus meiner Gegend angesprochen. Ihm war aufgefallen, dass ich anscheinend viele Leute kenne und mit meinen Jungs ehe den ganzen Tag am Scheiße bauen war. Und kurz darauf hat es angefangen mit dem Verkaufen. Nicht nur ich- auch meine Jungs waren dabei. Sie haben das ziemlich ernst genommen. Mir hat das Geld natürlich gefallen, aber irgendwie war das nicht meins – für irgendwen auf der Straße Gras verkaufen. Wir waren noch nicht mal sechzehn, als wir uns dann damit selbstständig gemacht haben. Und so haben wir die letzten Jahre damit verbracht, unsere Brieftaschen und unsere Kühlschränke zu füllen.

Während meine Jungs konstant dabeigeblieben sind, hab ich alle möglichen anderen Sachen gemacht. Hauptsache, das Geld hat gestimmt. Und ich konnte mich davon ablenken, dass ich die Schule und mein Berufsleben ziemlich verkackt habe. Man kommt eben ganz schwer wieder raus, wenn man einmal auf die kriminelle Schiene umgestiegen ist.
 


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Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.

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