Nutze Deine Stimme!
Über die Wahlbeteiligung von Frauen.
Seit 102 Jahren besitzen Frauen also nun das gesetzlich verbriefte Recht, bei Wahlen ihre Stimme abgeben zu können. Sie müssen es aber nicht, denn in Deutschland gibt es keine Wahlpflicht. Jede und jeder Wahlberechtigte kann frei entscheiden, ob sie oder er das Wahlrecht auch in Anspruch nimmt.
Doch die Frauen haben damals nicht nur auf dem Wahlzettel ihre Stimme abgegeben. Um diese Berechtigung überhaupt zu erreichen, haben sie vorher ihre Stimme erhoben. Sie haben sich zusammengeschlossen und erbittert dafür gestritten, die gleichen Möglichkeiten der politischen Gestaltung wie Männer zu erhalten.
Inwieweit haben Frauen ihre Stimme auch genutzt, als sie das Recht dazu besaßen? Wie sieht es heute mit der Wahlbeteiligung und politischen Mitbestimmung von Frauen aus? Wie ist es bei dir? Nutzt du deine Stimme?
Werfen wir mal einen Blick auf die Zahlen von 1919:
Bei der Wahl der Deutschen Nationalversammlung gaben 82% der wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab (Männer 84%).³
Wie viele Frauen sich zwei Monate später an der Wahl der Hamburgischen Bürgerschaft beteiligten, ist uns im JIZ nicht bekannt. Aber 91% der wahlberechtigten Hamburgerinnen hatten ihre Stimme bei der Wahl der Nationalversammlung abgegeben. Vermuten wir mal, dass eine hohe Prozentzahl der Hamburgerinnen ihre Stimmen auch für die Wahl des Landesparlaments nutzten.
Und wie sieht es heute aus?
Tendenziell sinkt die Wahlbeteiligung, auf Landesebene stärker als auf Bundesebene. In der Altersspanne von 18-69 Jahren hat sich die Wahlbeteiligung von Männern und Frauen weitgehend angeglichen; leichte Schwankungen (mal ein wenig mehr Frauen, mal etwas mehr Männer) sind normal. Bei den Wahlberechtigten ab 70 Jahren nutzen allerdings wesentlich mehr Männer als Frauen ihr Stimmrecht (z. B. 7,8% mehr Männer bei der Bundestagswahl 2017 und 14% bei der Bürgerschaftswahl in HH 2015).' ²
In Bezug auf eine unausgewogene Beteiligung bei der Wahl der Hamburgischen Bürgerschaft 2015 sticht eine weitere Altergruppe besonders heraus: die der 18-24 Jährigen. Bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 42,3% gingen fast 20% weniger junge Frauen zur Wahl als junge Männer.
Sich in die Statistiken der Wahlbeteiligungen zu versenken, kann spannnender sein als es scheint, denn hinter den Zahlen stehen persönliche Geschichten von Frauen und Männern. Die Statistiken bilden auch gesellschaftliche Umstände ab.
Die Zahlen spiegeln das Wirken von Frauen (und übrigens auch von Männern), die hart für ihr Wahlrecht kämpften und dafür viel in Kauf nahmen, wider. Sie bezeugen die demokratischen Ambitionen vieler Menschen, die sich ins Wahllokal aufmachen.
Die Statistiken werfen aber auch Fragen auf: Welche Umstände führen dazu, dass Menschen ihr Recht auf demokratische Mitbestimmung nicht in Anspruch nehmen? Haben sie das Gefühl, durch ein Kreuzchen eh nichts ausrichten zu können? Ist Politik zu kompliziert? Finden sich die eigenen Alltagsangelegenheiten und -probleme nicht ausreichend debattiert?
Neben dem eigentlichen Wahlergebnis ist die Wahlbeteiligung also ebenfalls ein wichtiger Indikator, an dem die Volksvertreterinnen und -vertreter den Erfolg ihres politischen Wirkens ablesen können.
Quellen:
- ' Statistisches Bundesamt (Destatis) 2018, WISTA 3
- ² Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, Analyse der Wahl zur Bürgerschaft in Hamburg am 15. Februar 2015, Band 1: Analyse, Mai 2015
- ³ Monika Storm: "Erste Wahl? Erste Wahl! Frauenwahlrecht in Deutschland", Sonderauflage für die Zentralen für politische Bildung, 2018