Ein Interview mit einer Lehrerin in der JVA Hahnöfersand
Das Gespräch führten Double-G und Ousman.
(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
• Wie heißen Sie?
Ich heiße Antonia Schallehn.
• Woher kommen Sie?
Ich bin in Itzehoe geboren, aber in Hamburg aufgewachsen.
• Was machen Sie hier in der JVA?
Ich bin seit 2013 Lehrerin an der Schule der JVA Hahnöfersand.
• Wie sind Sie dazu gekommen?
Eher zufällig. Ich habe schon vorher mit Jugendlichen gearbeitet, die es nicht leicht hatten, z.B. an einer Schule für Erziehungshilfe. So hat man das früher genannt. 2013 bin ich dann über die Stellenausschreibung in Hamburg gestolpert und habe mich direkt beworben.
• Macht Ihre Arbeit Spaß?
Ja! Natürlich gibt es wie in jedem anderen Job auch anstrengendere und ruhigere Tage, aber im Großen und Ganzen mache ich meine Arbeit sehr gerne.
• Wie ist es mit Jugendlichen zu arbeiten?
Immer wieder spannend und herausfordernd - vor allem aber nie langweilig und oftmals auch sehr amüsant. Wir haben schon auch viel Spaß zusammen.
• Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie Hobbys?
Ich gehe gerne schwimmen, spiele Tennis und treffe meine Freunde. Außerdem gehe ich gerne ins Kino und ins Theater. Daher freue ich mich, wenn dies alles bald wieder möglich sein wird.
• Was ist denn Ihr bester Ausgleich nach der Arbeit? Wie können Sie abschalten?
Manchmal koche ich gerne, manchmal brauche ich auch laute Musik oder ein gutes Gespräch mit jemandem, der mir nahesteht, wenn ein Tag anstrengend war. Dabei sind natürlich auch meine KollegInnen eine große Stütze.
• Welche Erfahrungen haben Sie hier in der JVA gemacht?
Überwiegend positive. Die meisten meiner Schüler kommen gerne in die Schule und wissen zu schätzen, was wir LehrerInnen für sie tun. Wenn wir den Schülern mit Respekt begegnen, dann tun die meisten Schüler dies auch uns gegenüber. Anfangs war ich sehr viel kritischer, aber ich habe viel über meine Schüler und deren oft zerrissene Lebensgeschichten gelernt. Daher versuche ich auch meinen Umgang mit ihnen dementsprechend anzupassen. Es gibt immer noch absolute No-Go's, aber ich glaube, dass man durch Verständnis und das Bauen kleiner Brücken eigentlich ein sehr gutes Miteinander pflegen kann.
• Hatten Sie schon einmal Angst bei der Arbeit?
Ja, eine einzige Situation, ganz zu Beginn meiner Arbeit hier war verstörend. Dabei handelte es sich aber um einen jungen Mann mit psychischer Instabilität, daher kann ich ihm sein Verhalten nicht verübeln.
• Wie lange wollen Sie den Job noch machen?
Mal schauen, im Moment habe ich keine Bestrebungen, etwas anderes zu tun.
• Haben Sie schon einmal überlegt zu kündigen?
Nie ernsthaft. An schlechten Tagen kommt mir manchmal kurz der Gedanke, aber ich weiß, dass ich im Moment an keinem anderen Ort arbeiten möchte.
• Merken Sie einen Unterschied zwischen den Gefangenen von 2013 und denen von heute?
Ja, schon, aber es gibt immer Gefangene, mit denen ich besser klarkomme und solche, mit denen es schwieriger ist. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass es vor einigen Jahren noch etwas ruhiger war. Ich nehme immer wieder auch junge Menschen mit großen psychischen Instabilitäten wahr. Das beunruhigt natürlich auch. Ich glaube aber auch, dass sich mein Blick auf die Jugendlichen in den Jahren durchaus ein wenig gewandelt hat.
• Sehen Sie eigentlich die weitere Entwicklung der Gefangenen nach der Entlassung?
Leider nur teilweise, zum Beispiel, wenn ich jemanden draußen zufällig treffe. Da habe ich schon einiges erlebt – sowohl befremdliche Situationen beeinflusst durch Drogen o.ä., aber ebenso auch ganz tolle Lebensgeschichten. Ich habe Partnerinnen und Kinder kennengelernt und meine Ex-Schüler dadurch zumindest kurzzeitig in einem ganz anderen Licht sehen können.
Ansonsten erlebe ich leider oftmals junge Menschen, die nur zeitweise in der Freiheit draußen zurechtkommen und dann wieder bei uns in der JVA erscheinen. Das ist natürlich immer wieder traurig.
• Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Schüler?
Ich wünsche mir für jeden einzelnen, dass ich ihn nicht mehr hier antreffen muss. Das ist weder für mich, noch für die Jugendlichen schön. Wie sie den Weg dorthin meistern, steht auf einem anderen Blatt. Mir ist klar, dass dies eine große Herausforderung ist. Dennoch wünsche ich ihnen, dass sie zu einer inneren Zufriedenheit kommen – und dies am besten ganz ohne Straftaten.
Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt. | Bildnachweis: Antonia Schallehn © Antonia Schallehn