Der Hamburger Jugendserver

Der Alltag in Hahnöfersand

von Devo46

(Schreibgruppe der JVA Hahnöfersand)
 

So fängt der Tag hier bei uns an: Um 6:45 Uhr kommt der Beamte, macht die Tür auf und sagt „Guten Morgen!“, um zu gucken, ob man noch lebt. Man gewöhnt sich dran und sagt automatisch auch „Guten Morgen“, obwohl man noch gar nicht wirklich wach ist. Es fühlt sich so an, als würde man träumen.

Ich stehe um 7:30 Uhr auf, gehe 5-10 Minuten duschen, danach zurück in meinen Haftraum, putze meine Zähne und ziehe meine Anstaltskleidung an. Nach dem Frühstück, gegen 7:50 Uhr werden wir mit einer Durchsage aufgerufen und gehen zur Schule. In der Klasse sind wir zur Zeit sechs Personen, wir machen unseren ersten Schulabschluss, den ESA. Wir arbeiten ungefähr ab 8:00 Uhr. Wenn wir alles geschafft haben, spielen wir Karten, meistens ein russisches Kartenspiel, das „Durak“ heißt – jeder in H-Sand kennt es und kann es spielen. Manchmal gucken wir zur Belohnung für gute Arbeit auch einen Film.

Um 11:00 Uhr müssen wir wieder einrücken, wir gehen also alle wieder auf unsere Stationen. Ich gehe dann in meinen Haftraum, wasche meine Schüssel und Teller ab , gegen 11:30 Uhr wird dann das Essen verteilt. Wir essen alle zusammen im Gruppenraum, danach unterhalten wir uns oder spielen Karten. Um 12:30 Uhr werden wir nacheinander aufgerufen und gehen zur Arbeit. Ich bin bei den Malern. Bei der Arbeit spachtele ich Wände oder male Bilder, das macht mir sehr viel Spaß. So vergeht die Zeit sehr schnell, weil ich mich beschäftige.

Um 15:30 Uhr rücken wir wieder ein. Einige von uns sind in der Strafhaft in einem anderen Haus, ich bin noch in der U-Haft. Wenn ich wieder zurück auf meiner Station bin, ziehe ich mich um, lege mich hin und gucke ein bisschen fern. Normalerweise gehen wir von 16:00 bis 17:00 Uhr in die Freistunde, aber zurzeit habe ich keine Lust, weil es mir draußen viel zu kalt ist.

Um 17:00 Uhr haben wir Aufschluss – das heißt Freizeit. Wir können kochen oder Tischtennis spielen oder auch den Haftraum saubermachen. Wir kochen meistens Nudeln mit Sucuk, Zwiebeln und Rahmsauce oder backen eine Pizza ohne Hefe – aber sie schmeckt trotzdem gut. Um 18:30 Uhr bin ich wieder in meinem Haftraum, um 20:15 Uhr laufen oft gute Filme, und um 22:00 Uhr schlafe ich schon, bis der nächste Tag wieder von vorne anfängt.

 


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Die Klarnamen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
Bildnachweis: Zeichnung H-Sand © St. Troipez / entstanden im Kunstprojekt STABIL der JVA Hahnöfersand in Koop. mit dem JIZ Hamburg

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