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Der Kniefall von Warschau

Eine spontane, eine große Geste prägt die Geschichte Deutschlands und Europas. Ein Symbol der Demut für Vergangenheitsbewältigung und Neuanfang.

 

Vor 50 Jahren, am 7. Dezember 1970, besuchte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt Polens Hauptstadt Warschau. Vier Monate nach der Unterzeichnung der Moskauer Verträge, die unter anderem die Anerkennung der Grenzen nach dem Krieg beinhalteten und die Entspannungspolitik Westdeutschlands vorantrieben. Der Besuch in Polen schloß daran an und diente der Versöhnung beider Staaten und der Unterzeichnung der Warschauer Verträge. In denen war der wichtigste Punkt die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, also der Westgrenze Polens.

 

Bei diesem Besuch wollte Brandt aber mehr bewirken. Es war ihm äußerst wichtig, dass er den Ort des Warschauer Ghettos besuchen konnte. Hier bei der Kranzniederlegung vor dem Denkmal der Helden und Opfer des Ghettoaufstandes von 1943 kam es zu der großen, aber ungeplanten Geste. Eine Geste der Versöhnung und der Demut, die man von Politikern so nicht kannte. Er bat für das deutsche Volk um Vergebung und um Vertrauen.

 

Ein Reporter schrieb: „Dann kniet er, der das nicht nötig hat, für alle, die es nötig haben, aber nicht knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können.“

 

1970: Der Kniefall von Warschau – zeitzeugen-portal

 

Auch damals gingen die Meinungen der Bevölkerung weit auseinander. Die Mehrheit in Deutschland hielt den Kniefall damals für übertrieben, die große Minderheit für angemessen und richtig. Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust waren erst seit 25 Jahren Vergangenheit. Viele Täter und Opfer lebten noch und die Kriegsgeneration bestimmte das öffentliche Leben. Die Aufarbeitung des Wahnsinns und der Gräueltaten bis 1945 war noch nicht abgeschlossen. Der Osten und der Westen hatten unterschiedliche Erfahrungen und Ansichten. Der Kalte Krieg bestimmte die Politik und Deutschland war geteilt und mittendrin.

 

„Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an.“ - Willy Brandt

 

In dieser Zeit wollte der erste sozialdemokratische Kanzler einen neuen Weg einschlagen und mit dem Osten kooperieren und die Zukunft zusammen gestalten. Nicht nebeneinander und vor allem nicht gegeneinander, sondern miteinander existieren. Einen „Wandel durch Annäherung“ wollte Willy Brandt herbeiführen. Die Geschichte hat gezeigt, dass diese eine Geste vieles bewegen konnte. Nicht nur hat sie zur Versöhnung der Völker beigetragen (Willy Brandt bekam im darauffolgenden Jahr den Friedensnobelpreis), sondern auch den Weg zu einem vereinten Europa, einem wiedervereinten Deutschland und dem Ende des Kalten Krieges maßgeblich ermöglicht.

 

Wer war dieser Mann, der von 1969-1974 als Bundeskanzler diente?

Willy Brandt erklärt – Mr. Wissen To Go

 

Mehr Infos zum Thema:

Vor 50 Jahren: Die neue Ostpolitik der Bundesrepublik und der Moskauer Vertrag 1970 https://www.bpb.de/...moskauer-vertrag-1970

Entspannung und Neue Ostpolitik 1969-1975 https://www.bpb.de/izpb/10344/entspannung-und-neue-ostpolitik-1969-1975 >

Willy Brandt über seinen Kniefall in Warschau - Audiodatei https://www.willy-brandt-biografie.de/quellen/audios/kniefall-warschau/

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